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CVJM Magazin: Die haben kein Bock auf Digitales

Im Lockdown konnten CVJM-Jugendhäuser nur für wenige Kinder öffnen. Jugendliche ab 14 Jahren mussten draußen bleiben. Über Offene Tür-Arbeit in Pandemiezeiten

 

Die gesellschaftliche Schere, die bereits existiert, geht durch Corona meiner Meinung nach weiter auseinander. Denn Kinder und Jugendliche aus prekärem Milieu, die von zuhause aus wenig Regeln und Strukturen gewohnt sind, haben es in dieser Zeit noch einmal schwerer. Wir merken gerade, dass die Situation in den sozial benachteiligten Familien deutlich angespannter ist. Sie wohnen auf sehr beengtem Raum und sind gerade viel zuhause. Da ist Stress vorprogrammiert. Zum Beispiel beim Thema Homeschooling: Wenn es mehrere Kinder sind, die alle einen Computer brauchen, um ihre Schulaufgaben zu machen, es aber nicht für jedes Kind einen eigenen gibt.

 

Was unsere Beziehungsarbeit betrifft, kommt Corona einer Katastrophe gleich. Wir haben während des Lockdowns sehr viel Streetwork gemacht, also Kinder und Jugendliche draußen aufgesucht. Die aufsuchende Arbeit ist gerade das einzige Mittel, das uns bleibt, um an die Jugendlichen heranzukommen. Das bedeutet aber nicht, dass wir auch wirklich alle treffen, die sonst zu uns ins Jugendhaus gekommen sind, weil sie vielleicht noch einen Ort weiterwohnen oder weil die Eltern es verbieten rauszugehen. Online-Angebote machen wir natürlich auch. Doch am Ende ersetzt alles Digitale, selbst wenn ich mich 1:1 mit jemandem im Video-Chat verabrede, nicht das persönliche Gespräch Face-to-Face, in dem eine Vertrauensbasis entstehen kann. Dass der Freund Schluss gemacht hat, das würde mir eine Jugendliche niemals vor dem Bildschirm zuhause erzählen, wo noch die Eltern und das Geschwisterkind lauschen könnten. Was ich wirklich dramatisch finde: Die Probleme der Jugendlichen werden ja nicht weniger, nur weil gerade eine Pandemie das Leben lähmt. Die Probleme bleiben. Nur fallen jetzt die Orte weg, an denen sich Jugendliche austauschen können oder sie eine Sozialarbeiterin oder ein Sozialarbeiter herausfordert, über das eigene Leben nachzudenken. Gerade gibt es niemanden, der fragt: »Findest du es sinnvoll, mit 12 Jahren schon zu rauchen oder Alkohol zu trinken?«

 

Laurina Affeld 29, Leiterin des Jugendhauses in Seelow

 

CVJM-Magazin 02/2021, Seite 14

Link zum Original: https://www.cvjm-ostwerk.de/resources/ecics_181.pdf